Der Stiefbruder vom Roland…

Der „Feind“ des Live-Musikers ist das Playback, die Drum-Machine oder eben das Alleinunterhalterkeyboard – eben alles, was über ein Taktell hinaus geht. (Dumm nur, dass ich überwiegend gerade wegen meiner Live-orientierten Drum-Machine angefragt werde…) 🙂

Während ich als eigentlicher Arrangerverweigerer für jede Besetzung bis zum Allein-Entertainer mein Programm geschickt zurecht- arrangieren muss, um mit meinen Extremitäten und dazu noch möglichst korrekt intoniertem Gesang die Essenzen der jeweiligen Titel rüberzubringen, drückt der (glückliche) Arranger-Keyboard-Spieler nur die richtige Backing-Taste und hat das Alles und noch mehr parat, noch bevor er die erste Note gespielt hat. Beim Sport würde man ihn wegen Dopings sperren…

Dennoch darf man sich als offener (Keyboard-)Mensch nicht vor dieser Welt der Arranger-Keyboards verschließen (Kluge Keute lernen auch von den Feinden  – sagten schon die alten Griechen). Schließlich habe ich bei Roland fast alle Generationen dieser Gerätegattung durchgemacht und bin mit meinem BK-9 sehr zufrieden. Also schlug ich kürzlich das Angebot meines örtlichen Musikalienhändler NICHT aus, einen PSR-S950 doch „mal mitzunehmen“ (so heißt das, wenn vor dem Kauf gesagt wir, amn könne das Teil ja binnen 4 wochen zurückgeben…). Und das obwohl der Nachfolger PSR-S970 doch schon am Horizont zu sehen war. Ich wollte aber einfach mal in die Yamaha Welt reinschnuppern. So konnte ich diesen nahmhaften Verteter der Mittelklassegeräte für einen guten Preis als Reserve-Arranger auf der Ersatztbank in meinen bescheidenen Gerätepark übernehmen. Zwar ist das Ding schon 3 Jahre auf dem Markt, aber ich durfte feststellen, dass es mitnichten überholt ist, auch wenn man den Einschalter ewig halten muss, bis er auslöst und die Kiste ne volle Minute zum Hochfahren braucht…

SOUNDS
Das PSR-S950 ist (nur) eine Klasse unter dem berühmt berüchtigten Tyros angesiedelt, den ich mir in der 5er Version bei Walter L. anschauen konnte. Bedienung, Konzept, Sytles und Sounds sind durchaus herausragend. Dabei hat allerdings jedes meiner Rolands bessere Pianos (und vor allem E-Pianos) und auch autentischeren Tonewheel-Simulationen parat. Mittlerweile konnte ich mit den guten Effekten des Yamahas schon Vieles wieder aufpeppen, aber der Roland ist schon alleine wegen der längeren Tasten für Piano-Geschichten angenehmer zu spielen. Die Yamaha Tasten sind aufgrund ihres „Kipp“-Feelings dann bei Synth-Läufen überlegen. Gegenüber den 950er Gitarren habe ich noch nie etwas besseres gehört und die Synth-Auswahl mag gering sein, aber ich finde alles was ich brauche in hervorragender Qualität. Der Lead Sound von der Farfisa Duo Compact mit dem Benson Echorec für „Shine on you crazy diamond“ kommt – glaub ich – nur vom Original noch autentischer (Sorry Roland…).

Insgesamt können alle Sounds schmerzfrei in den Mix übernommen werden.  Ich hab beim Kollegen Patrick B. gerade wieder gesehen/gehört, dass so ein Yamaha Arranger-Keyboard im Bandverbund klangtechnisch nirgendwo aneckt und gleichzeitig seine Präsenzpflichten erfüllt.

Dennoch vermisse ich die klaren Rhodes-Immitate und die liebevoll gezerrte Hammond, wie sie mein BK-9 oder die VR-09 (über ein Hammer Master-key) bringen. Ich bin wohl doch bis hierhin ein hoffnungsloser Roland-Sound-Schlumpf…

STYLES
Nun… Bei meinen ersten Anspielversuchen sah ich mich durchaus beim Tanztee im Altenheim. Alles klang so Big-Band-artig, verhallt  und traditionell. Erst bei näherem Durchforsten der Presets konnte ich den ein oder anderen Rhymtus finden, mit dem ich mich auf die Bühne trauen würde. Dabei fand ich viel Brauchbares unter „Country“, was ich eher unter „Rock“ oder „Westcoast“ gesucht hätte. Ob hier dann eine altbackene Midi-Sequenz oder ein Audio-Style als Grundlage dient interessiert mich tatsächich weniger, solange der Beat gut ist. Im Vergleich zum Roland finde ich irgendwie schneller einen passenden Style zum gerade zu spielenden Song.

Am Ende ist es halt für mich schwierig, wenn die Automatik mich überrollt und ich mich schämen würde, während ich gar nicht wirklich spiele ins Publikum zu schauen, spätestens wenn das PSR-S950 das Ending perfekt ganz ohne mich spielt. Aber Yamaha hat auch an mich gedacht und bietet mir eine Taste, die mich jederzeit von der Automatik befreit und mir erlaubt, nur die Drums aus dem Style zu nutzen und Bass und Upper-Part selbst zu spielen. Ergo – man kann, muss sich aber nicht von den Backings begleiten lassen – volle Punktzahl!

EXTRAS
4 zuweisbare Multipad
lassen Samples abfeuern, die Effekt, Drums oder auch Gitarren-Riffs mit sich bringen. Das Ganze kann sogar zum Tempo der Styles synchronisiert werden. Cool… Im Gerät sind schon eine Anzahl solcher Belegungen verfügbar. Das Internet tut den Rest…

Im Music-Finder sind geläufige Titel mit allen Voreinstellungen an Styles und Sounds vorgefertigt. Eigene Einstellungen warten darauf gespeichert zu werden. Leider schaffe ich es nicht die Einstellung Arranger on/off hier mit rein zu bekommen, was diese Funktion für mich weniger effektiv macht.

Registrations erlauben mit 8 Buttons Bankweise unbegrenzte Voreinstellungen. Nebenbei kann man aus den Registrations  heraus den Music-Finder nutzen: einfach den gesuchten Titel alphabetisch auswählen und fertig sind die Einstellungen für den jeweiligen Song.

Die Boxen sind kräftig und vermitteln ein gutes Stereo-Bild (man steht halt auch günstig vor den Boxen beim Spielen). Dennoch würde ich live gerne über eine Klein-PA fahren. Für Zuhause, den  kleinen Proberaum oder den Geburtstag bis 30 Personen ist das mehr als genug, zumals über Line-in auch das Stage-Piano und über Mic-in auch der Gesang dazu gebracht werden kann. Dieser kann dann auch noch durch einen FX-Block mit Harmonizer geschickt werden… Wow… Das ist wirklich all-in-one…

Midi-Musiker können ihre Dateien über den USB-Stick einbringen. Ein separater Audio Player spielt auch mp3s vom Sitck ab, die timegestretched und gepitched werden können.

Also, was es da im Internet an Styles und Goodies gibt ist umfassbar.  Ich hab schon Megabyteweise wasweißichalles auf der Festplatte, obwohl im Gerät eigentlich schon genug drin war – und das zu 99% für lau (okay – die Tusch- und Party-Samples im Entertainer-Pack direkt von Yamaha kosten halt…)

FAZIT
Das ist sie also – die Referenzklasse für Arranger-Keyboards. An allen Ikonen anderer Hersteller wie Korg und Roland vorbei, baut Yamaha seine Arranger noch nach dem gleichen Konzept wie eh und je, aber eben in seinen Funktionen konzequent optimiert und stabil. Das PSR-S950 kam gleich unter dem Tyros 4 – dem Top-Gerät in der Arranger-Kategorie. Im direkten Vergleich damit will mir das PSR gar besser gefallen als der silberne Platzhirsch in seiner Revision 5, dessen Folgegerät heute das PSR-S970 ist…

Mein Fazit
Alles schön und gut. Die Bedienung ist an mancher Stelle besser, an anderer wieder widriger, als bei meinen Roland Es und BKs. Dafür klingen die Roland Sounds einfach autentischer und besonders die Tonewheels rocken ordentlich. Es braucht schon viel, um mir meinen Roland-Wahn auszutreiben, aber das 950 kommt nah heran.

Das PSR-S970…
…stand dieser Tage dann beim Händler gleich neben einen 950er und ich hab die Geräte mal in mehrere Sessions verglichen. An das lange gedrückt Halten der Ein-Taste und die Kaffepause beim hochfahren muss sich auch der 970er User gewöhnen. Aber das größere Display macht sich schon sehr gut. Die erweiterte MFX Sektion macht viel daher. Viele Sounds sind upgedatet und die freien Controller bieten Komfort. Neue Sync- Software macht das Leben leichter. Dennoch würde ich überlegen, ob ich mein 950er wirklich ersetzen will. Das 970er ist wohl mehr ein upgedatetes 950er für den Neu-Kunden. Der Alt-Kunde bleibt erstmal noch bei seinem 950er… 😉